Buch: Bergischen Kindheit und Jugend – 1500 bis 1900

mit zahlreichen Fotos und Abbildungen

 

16,5x23,5 cm

92 Seiten

16,90 €

Sutton-Verlag

ISBN 978-3-86680-545-3

Derzeit vergriffen

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Gerne wird immer wieder diese Standardfloskel benutzt, früher sei ja eh alles besser gewesen. 

Man muss nur dieses Buch lesen um festzustellen, alles war keineswegs und in jedem Fall besser. Die Kindheit in früheren Jahrhunderten hatte kaum etwas mit dem zu tun, was heutige Kids an Bespassung und psychotisch krank machende mentale Impulsflut erdulden müssen. 

Es war Entbehrung, oft Not – in jedem Falle aber harte Arbeit und nur ein wenig Spaß und Spiel. Strenge Sitten legten schon den Kleinen sowohl Pflichten auf wie sie zu besonderen Feiertagen auch geradezu in Uniformen gezwängt "brav sein" mussten. 

Bildung war Mangelware, Berufe wählt man keineswegs nach Neigung, Lust und Laune ...

 



Rezension:

Die Rechnung war einst brutal, aber einfach: knapp mehr als die Hälfte der Kinder würden überleben, um mal für die Eltern zu sorgen. Wer später Versorgung haben wollte, musste einiges an Kindern in die Welt setzen (Verhütung war eh noch unbekannt) – und wenn es zum Schluss dann doch zuviele waren, waren sie eine arge Last; erst recht die Mädchen, denen man auch noch Aussteuer mitgeben musste, damit sie endlich aus dem Hause waren. Oder man steckte sie ins Kloster, doch das konnten sich nur reichere Familien erlauben. 

Ansonsten ist in diesem Buch ein fast schon markaber-grueseliges Kontrastgeschehen aufgezeichnet – hier fröhlich Kinderreime, harmlos, scheinbar voller Leichtigkeit. Dort die Waisen- und Arbeiterhäuser, die Kargheit im Lebenswandel, das Elend bei Krankheiten und Hunger als Dauergast. Im Siebengebirge gingen Jungen zu Ostern Eier betteln – sie wurden dann benutzt, damit sich die Familien einen Kuchen backen konnten. 

Wenn überhaupt Schule und Lernen damals, vor Jahrhunderten, dann war es eher eine Tyrannei. Völlig ungeniert brüstet sich der Lehrer, das Kind heftig geschlagen zu haben, weil es nichts gelernt hätte. 

In allen Ständen litten die Kinder unter Wissensmangel, so dass der Einsteig in Beruf und Verantwortung oft mit schweren Fehlern verbunden war; fast aus Mitleid entwickelten dann Lehrer und Gelehrte Hilfsmittel wie das später sprichwörtlich berühmt gewordene Schürmanns Rechenbuch. Wie sollte man sonst als einfacher Mensch verhüten "übers Ohr gehauen" zu werden, wenn 2 1/6 rheinische Stüber für 7 Kölner Ellen Stoff zu zahlen waren, die in Elberfeld als deren Ellenmas in Thalern gerechnet wurden? Bleibt es da noch wunder, dass Arme arm blieben und Kaufleute nur dann zu Reichtum kamen, wenn sie ihr Wissen und bescheidenes mathematisches Können konsequent ausnutzten, um anderen das Geld aus dem Säckel zu ziehen. 

Kindheit als Vorbereitung fürs Leben – nein, nicht in der beschriebenen Zeit im Bergischen. Das war von der ersten Stunde an schon das harte Leben selbst und die nur wenige Belohnungen, die es während des Jahres gab, waren nichts anderes, als wir heute Prämie oder Incentiv nennen – ein Ansporn, dem Leistungsdruck und der Unterdrückung stattzuhalten. 

Grausam. Aber man sollte es wissen, um die heutige Lebensqualität zu schätzen und endlich das Maulen und Meckern aufzuhören. 

 

Text, Fotos, Reproduktion: hgw